Unser Land braucht mehr Düsentriebe
publiziert in der Basler Zeitung vom 6.4.16
Der Bundesrat hat beschlossen, seine in Paris vorgestellten Klimaziele mit weiteren Regulierungsmassnahmen umzusetzen. Die Schweiz soll so ihren Beitrag leisten die globale Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf weniger als zwei Grad zu beschränken. Die Krux dieses Ziels liegt darin, dass sich die Wirksamkeit der Massnahmen nie wird überprüfen lassen. Auch wenn man sich über den Realitätssinn der Zielvorgabe streiten kann, gibt es gute Gründe, einen nachhaltigen und sauberen Energieverbrauch anzustreben. Die Schweiz hat in dieser Beziehung international bereits einen beachtlichen Leistungsausweis und soll hier selbstverständlich ihre Vorreiterrolle bei behalten. Der Bundesrat will, dass die CO2 Emissionen gegenüber dem Stand von 1990 bis 2030 in absoluten Werten um 50 Prozent reduziert werden. Das ist von allen 164 Ländern, welche überhaupt Klimaziele formuliert haben, das bei Weitem ambitionierteste. Ohne einen Blick über die Grenzen zu werfen und ohne sich Rechenschaft darüber zu geben, worauf man hier eingeht, ist das nicht ambitioniert, sondern bestenfalls blauäugig.
Die Schweiz hat mit sechs Tonnen CO2 pro Kopf einen der tiefsten Emissionswerte aller Industrieländer, ungefähr gleich wie Frankreich, das jedoch eine geringere Wirtschaftsleistung pro Kopf aufweist. Deutschland liegt mit 9,2 Tonnen CO2 pro Kopf über 50 Prozent höher, trotz einer seit Jahren hoch subventionierten Energiewende. Dänemark, das Pionier- und Vorzeigeland für Windkraft schlechthin, liegt bei 8,4 Tonnen pro Kopf.
Wie erklären sich diese Unterschiede? Einerseits in der Wirtschaftsleistung, dann aber im effizienten Gebrauch von Energie und ganz wesentlich in der Art und Weise, wie Strom generiert wird. Die Schweiz produziert ihren Strom nahezu CO2-frei aus Wasser- und Kernkraft. Frankreich versorgt sich zu 80 Prozent mit Strom aus Kernenergie. Deutschland hat selbst nach über zehn Jahren stetig steigender Subventionen von Wind- und Solaranlagen erst einen Anteil von 30 Prozent erneuerbarem Strom – und das bei gleichbleibend hohen CO2 Emissionen. Der Grund liegt darin, dass die Stillstandszeiten der Wind- und Solaranlagen mit Braunkohlekraftwerken überbrückt werden müssen. Die Grundlast der deutschen Stromversorgung wird durch Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke gedeckt. Wenn Letztere noch abgeschaltet werden, ist die einzige CO2-arme Grundlastproduktion auch weg. Mit seiner Energiepolitik wird Deutschland die EU-Ziele von 40 Prozent CO2-Reduktion nicht erreichen können. Auch Dänemark wird für die windstillen Zeiten dauerhaft auf Kohlekraftwerke angewiesen sein. Es ist höchst fraglich ob die EU ihr Klimaziel erreichen kann, das notabene den CO2-Emissionen entspricht, welche die Schweiz bereits heute kennt. Bei den ganz grossen Emittenten, den USA, China und Indien, die zusammen beinahe die Hälfte des globalen CO2-Ausstosses verursachen, sehen die Verpflichtungen noch viel bescheidener aus. Die USA haben es relativ leicht, ihre unmässigen Emissionen von über 16 Tonnen pro Kopf um 25 Prozent zu reduzieren.
Erreicht wird das vornehmlich durch die Umstellung von Kohle- auf Schiefergas-Kraftwerke. China hat sich bloss verpflichtet, ab 2030 seine Emissionen nicht mehr weiterzusteigern, ohne Angabe wie hoch der Spitzenwert dannzumal sein wird. Indien verzichtet auf jegliche Begrenzung. Es verpflichtet sich nur, seine Energieeffizienz zu verbessern, eigentlich eine ökonomische Selbstverständlichkeit. Man kann es den aufstrebenden Ländern nicht verübeln, den wirtschaftlichen Fortschritt höher zu werten als globale Klimaziele. Doch wer wären diese Länder, die messbaren Einfluss haben könnten? Die Schweiz leistet mit einer Senkung ihrer Emissionen von 0,1 Prozent auf 0,05 Prozent aller menschengemachten CO2-Emissionen keinen messbaren Beitrag zu einer ohnehin schwer fassbaren Klimarettung. Solange das nur mit Massnahmen zu erreichen ist, die so teuer sind, dass sie von keinem anderen Land übernommen oder kopiert werden, und wir uns damit nur einseitige Wettbewerbsnachteile einhandeln, muss das Parlament noch einmal dringend über die Bücher, ob das zielführend sei. Wie die Werte zeigen, hat unsere Wirtschaft ja bereits bewiesen, dass man Energieeffizienz mit Innovationen, freiem Unternehmergeist und Wettbewerb weiter bringt als mit Subventionen und Regulierungswut. Unser Land braucht Daniel Düsentriebe, keine staatlich verordneten Einschränkungen.