Die neuste TV-Werbung der Migros verspricht klimaneutrale Filialen, damit scheue Rehe sich nicht mehr vom bösen Menschen fürchten müssen. Das an sich sympathische Bild vermittelt eine romantische Sicht der Welt, vergleichbar mit dem in der Natur integrierten, kultivierten «edlen Wilden», der im Einklang mit der Natur lebt.
Seit allerdings der Mensch vor über zehntausend Jahren vom genügsamen Sammler und Jäger zum Bauer wurde, beeinflusst er die Natur gezielt zu seinem eigenen Vorteil. Auf die Umwelt nahm er wenig Rücksicht. Der damalige Umgang mit Nutztieren entsprach kaum dem Standard heutiger Tierhaltung und der erste Ackerbau war Brandroden für den kurzzeitigen Anbau von Nutzpflanzen. Auch alte Kulturen hinterliessen Umweltschäden. Aufgrund der sehr kleinen Bevölkerungsdichte, allerdings mit vernachlässigbaren Auswirkungen.
Mit der industriellen Revolution, vereinfacht gesagt, seit der Mensch Muskelkraft mit Maschinen ersetzt, hat vieles geändert. Maschinen, angetrieben durch Kohle, Erdöl oder Gas, verbessern die Lebensbedingungen derart, dass die Weltbevölkerung bis heute um das Achtfache wachsen konnte. Und das bei gleichzeitiger Eliminierung von Hungersnöten. Möglich wurde das durch die Produktion von Kunstdünger mit Hilfe fossiler Energie.
Das prominenteste «Abfall»-Produkt fossiler Energie ist Kohlendioxid (CO2). Weil das Gas einen Einfluss auf den Wärmehaushalt der Erde hat, ist es in den Fokus des Umweltschutzes geraten. Alle anderen Umweltbelastungen spielen nur noch eine Nebenrolle. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat sich seit 1850 um 40% erhöht, was zum grössten Teil auf menschliche Aktivität zurückzuführen ist. Im gleichen Zeitraum ist die mittlere globale Temperatur um ein Grad angestiegen. Das ist messbar. Es ist naheliegend, dass eine weitere Erhöhung der CO2-Konzentration zusätzliche Erwärmung verursachen wird. Um wieviel, da scheiden sich die Meinungen. Nicht einmal die Wissenschaft ist in der Lage zu bestimmen, ob eine Verdoppelung der CO2-Konzentration zu einer Erwärmung von 2 Grad oder 4.5 Grad führen wird. Bekannt ist hingegen, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentration von heute 0.04% auf 0.08% mit den bekannten fossilen Ressourcen gar nicht realistisch ist. Beim heute beobachteten Stand der Wirtschaftsentwicklung dürfte die CO2-Konzentration bis Ende des Jahrhunderts unter 0.06% zu liegen kommen. Wieviel Erwärmung das zur Folge haben wird, lässt sich bloss in einem Bandbereich abschätzen. Das genau Vorauszusagen geht nicht. Mit den allerneusten Modellen auf Supercomputern beginnen Wissenschaftler nun selbst zu erkennen, dass es Grenzen der Vorhersage gibt, wie gerade ein Bericht des Wall Street Journals[1]dokumentiert. Die Klimawirkung von Wolken, also Wasserdampf, das wichtigste aller Treibhausgase, kann bis heute nicht befriedigend modelliert werden.
Der Weltklimarat IPPC hat alle wissenschaftlichen Quellen geprüft, wie sich eine weitere Erwärmung auf Mensch und Umwelt auswirken könnte und kam zum Schluss, dass eine Erwärmung von bis zu 1.5 Grad weniger Nachteile zur Folge haben würde als eine Erwärmung von über 2 Grad[2]. Dazu muss festgehalten werden, dass bereits eine Erwärmung von einem Grad stattgefunden hat. Es wäre deshalb sinnvoll zunächst zu prüfen, wie sich die Umweltbedingungen in dieser Periode, also von 1850 bis heute mit diesem einen Grad verschlechtert haben. Vor allem aber weshalb sie sich verschlechtert haben, ohne das a priori mit steigenden Temperaturen in Verbindung zu bringen. Die Verschmutzung von Böden, Gewässern und der Luft, die Überfischung der Meere, die Übernutzung von Böden, die Ausbeutung von Grundwasservorkommen sind nicht die Folge einer Klimaerwärmung, sondern die Folge eines unsorgfältigen Umgangs mit Ressourcen. Die Menschheit hat sich in dieser Periode der Erwärmung hingegen «prächtig» entwickelt, allerdings zu Lasten der Umwelt.
Als erstes müsste man prüfen, wie man die negativen Faktoren effizient reduzieren kann. Die Abkehr von fossilen Energieträgern ist schon richtig, aber zu meinen über den äusserst unsicheren Umweg via CO2-Reduktion eine Art Temperatursteuerung zu erreichen, erscheint doch fragwürdig. Noch fragwürdiger wird das, wenn die geforderte CO2-Reduktion mit einer Materialschlacht wie einem gigantischen Zubau von Windrädern und chemischen Batterien erreicht werden soll. Oder allgemeiner ausgedrückt, mit einer massiven Vergrösserung des ökologischen Fussabdruckes.Das bringt uns zurück auf den Wunsch im Einklang mit der Natur leben zu wollen. Da ergibt sich ein Dilemma zwischen Anspruch auf stabile Klimabedingungen und Anpassung an die Natur. Selbst Professor Reto Knutti, der engagierteste Klimaretter der Schweiz, hat das erkannt und im März 2019 getwittert: «Während des grössten Teils der Erdgeschichte gab es keine Menschen. Fakt ist, dass unsere Zivilisation/Infrastruktur mit mehr als sieben Milliarden Menschen extrem eng auf das heutige Klima optimiert ist. Ein paar Grad mehr oder weniger ist der Erde egal, uns nicht, besonders wenn es schnell geht.» Der Mensch erschien tatsächlich in einer Kaltzeit, in welcher wir uns immer noch befinden. Zum grössten Teil der Erdgeschichte war es wärmer. Nord- und Südpol waren mehrheitlich eisfrei. (Abbildung 1).
In der Tat kann sich die Natur einer Erwärmung wesentlich leichter anpassen: Tiere, Pflanzen, Biotope besetzen immer die für sie günstigsten Klimazonen. Sofern ihnen der Mensch nicht im Weg steht. Auch Wälder können «wandern», wie die zunehmende Begrünung Sibiriens oder steigende Baumgrenzen in den Bergen belegen. Dass 90% der heutigen Korallenriffe bei zwei Grad gefährdet seien, ist nicht glaubhaft. Korallen wachsen dort wo das Milieu stimmt. Und da ist nicht die Temperatur die entscheidende Grösse, sondern die Wasserqualität. Zum Beispiel sind die Korallenriffe auf der Touristeninsel Phu Quoc im Grenzbereich von Vietnam und Kambodscha nicht wegen zu hoher Temperaturen tot, sondern wegen der ungereinigten Abwässer.Für die Natur ist eine höhere CO2-Konzentration völlig unproblematisch. Für über 90% der Biomasse unseres Planeten ist CO2 ein Grundnahrungsmittel und kein Schadstoff. Die pflanzliche Biomasse ist ihrerseits Nahrung für die übrigen Organismen, inklusive den Menschen. Ohne CO2 gäbe es kein Leben. Ursprünglich hatte die Erde nämlich eine CO2-Atmosphäre. Erst mit den Cyanobakterien vor rund zweieinhalb Milliarden Jahren, gibt es in der Atmosphäre freien Sauerstoff. Diesen Einzellern gelang es mit der Kraft des Sonnenlichts, CO2 und Wasser in Glucose und Sauerstoff aufzubrechen. Seit jenem Punkt in der Erdgeschichte ist Photosynthese für das Leben die dominierende Form der Energiebeschaffung. Der Mensch, auch mit acht Milliarden Individuen, repräsentiert nur 0.01% der gesamten Biomasse (Abbildung 2).
Und dieser Mensch will also vorgeben was das richtige Mass an Wärme und CO2-Konzentration sein soll? Das ist schlicht vermessen. Wenn wir also im Einklang mit der Natur leben wollen, gleichzeitig aber unseren Lebensstandard nicht in Frage stellen wollen, müssen wir dringend auf Energiequellen umsteigen, welche die Natur am wenigsten belasten und vor allem von keinem biologischen Prozess beansprucht werden. Kernenergie wäre eine solche Ressource. Sie hat das Potential den Fussabdruck zu verringern. Den Migros Rehen könnte das gefallen.