publiziert in Basler Zeitung vom 15. 1. 2016

Das Jahr 2015 geht vermutlich als wärmstes Jahr seit Messbeginn in die Geschichte ein. Die ­Bestätigung steht noch aus. Die Auswertung und Kalibrierung der Daten ist bei allen Variationen der unterschiedlichsten Wetterphänomene um den Globus keine simple Sache. Schlussendlich geht es um einen Bruchteil eines Grades, ob dem so sei oder nicht. Die Variation der Wetterphänomene und Temperaturausschläge ist so gross und das weltweite Monitoringsystem ist so stark gewachsen, dass sich auf der Welt jeden Tag irgendwo ein Extremwert finden lässt. 

Die Daten am Schluss in eine einzige Grösse, einen globalen Temperaturtrend einzubinden, ist an sich schon fragwürdig. Der statistische Trend wird dann in zahllosen Studien verwendet, um unter anderem auch die Bedrohung der ­Artenvielfalt auszumalen. Die Fokussierung auf den Klimawandel als Ursache allen Übels führt zu einem gefährlichen Ausblenden wesentlich dringender Probleme. 

Nehmen wir nur einmal die uns vertraute Pflanzenwelt. Pflanzen wachsen dort, wo es ihnen am besten behagt, jede Art kennt ein klimatisch optimales Umfeld. Die meisten Arten ertragen eine grosse Klimavariabilität. Schliesslich können sie ihren Standort nur durch Fortpflanzung ändern und müssen als Individuen warme und kalte sowie nasse und trockene Jahre überstehen. Die Temperaturvariabilität aufeinanderfolgender Jahre und Jahreszeiten ist um ein Mehrfaches grösser als die schleichende Klimaerwärmung. Eine Verschiebung der Vegetationszonen in höhere Breitengrade oder in topografisch höher liegendes Terrain ist seit dem Ende der letzten ­Eiszeit vor 15 000 Jahren zu beobachten. 

Es lässt sich nun endlos darüber streiten, wie stark der anthropogene Einfluss auf dieses ­Phänomen ist. Völlig ausser Acht gelassen wird, dass der direkte Eingriff des Menschen in die ­Biosphäre bereits eine um Grössenordnungen stärkere Veränderung des Planeten zur Folge hat als der Klimawandel. 

Alleine das Einschleppen von Neophyten und Neozoen, also Pflanzen und Tieren aus anderen Weltregionen, hat erkennbar grössere Aus­wirkungen als ein Klimawandel um zwei Grad. Andere Belastungen wie die Überfischung der Meere oder die Gewässerverschmutzung seien noch gar nicht angesprochen. Die Artenvielfalt ist nicht durch den Klimawandel bedroht. Die Natur wird sich immer anzupassen wissen. Ob es unsere Gesellschaft kann, steht auf einem ganz andern Blatt. 

Wie in Paris soeben beschlossen wurde, soll die Klimaerwärmung bis Ende des Jahrhunderts nicht über zwei Grad ansteigen. Das ist schlicht eine Anmassung gegenüber dem Klima- und ­Ökosystem Erde. Da wird ernsthaft suggeriert, dass sich mit der Reduktion eines einzigen ­Moleküls, des CO2, das ganze System steuern lasse. Eine solch sträfliche Verkürzung führt unweigerlich zu Fehlentwicklungen. Auch wenn es richtig ist, von der einseitigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wegzukommen, wird das die Welt noch lange nicht retten. Wenn wir uns jetzt alleine darauf stürzen, CO2 zu vermeiden, ohne Rechenschaft abzulegen, ob wir damit nicht andere Schäden anrichten oder noch wertvollere Ressourcen plündern, haben wir wahrlich ein ­Problem. Ob es in unseren Wäldern aufgrund der Klimaerwärmung bald mehr Eichen als Tannen haben wird, empfinde ich auf jeden Fall nicht als Bedrohung.

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AuthorMarkus Häring