Wasserversorgung hat eine etwas ältere Geschichte als die Stromversorgung. Sie kann zumindest bei uns als ausgereift betrachtet werden. Wasser fällt an unterschiedlichen Orten und zu nicht vorhersehbaren Zeiten vom Himmel. Regen ist etwa gleich planbar wie Sonne und Wind. Da Wasser aber jederzeit und in genügender Menge zur Verfügung stehen soll und weder eine zeitliche noch örtliche Rationierung akzeptabel wäre, braucht es Speicher.

Zum Glück ist das Erdreich ein natürlicher Speicher, welcher Niederschläge zurückhält und später über Quellen mehr oder weniger dosiert wieder abgibt. Wasser wird bei uns nicht von Dächern gesammelt, sondern in Quellen, Grundwasserbrunnen und Seen gefasst. Von dort wird es nicht direkt verteilt und muss auch nicht sofort konsumiert werden, sondern es wird zuerst in ein Reservoir geführt. Das sorgt für einen gleichmässigen Druck im Leitungsnetz, und es erlaubt allen Verbrauchern einen unabhängigen Bezug zu jeder Zeit. Einige Hausbesitzer sammeln Regenwasser vom Dach in Tonnen und brauchen es für die Bewässerung des Gartens oder in einigen Fällen sogar für die Toilettenspülung. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Das ist sinnvoll und entlastet die öffentliche Wasserversorgung. Abgesehen davon, schwören Hobbygärtner auf die bessere Qualität des weichen Wassers für ihre Pflanzen.

Bis heute hat unser Stromnetz ähnlich funktioniert wie die öffentliche Wasserversorgung. Die Benutzer dürfen zu jeder Zeit bei gleicher Spannung (gleichmässigem Druck) Strom beziehen (den Wasserhahn aufdrehen), unabhängig davon wie viel andere Leute gleichzeitig das selbe tun.

In einer zukünftigen Stromversorgung sollen nun beliebig viele Produzenten in ein gemeinsames Netz einspeisen dürfen, immer dann wenn ihr Windrad dreht und das Solarpanel Strom erzeugt. Es käme wohl niemandem in den Sinn, sein Dachwasser in das Wasserleitungsnetz einzuspeisen. Da es bei allen im Dorf vermutlich gleichzeitig regnet, könnten die Leitungen das viele Wasser gar nicht gleichzeitig transportieren und das Reservoir auf dem Hügel am Rand der Gemeinde würde schnell hoffnungslos überfliessen. Um ein solches Szenario nur schon denkbar zu machen, müssten sämtliche Leitungen zu den Häusern auf den Durchmesser der Dachrinnen-Fallrohre ausgeweitet werden, die Hauptleitungen auf den Durchmesser von Abwasserrohren und die Reservoire müssten um mindestens das Zehnfache vergrössert werden. Die riesigen Rohre wären zwar nur für die kurzen Regenphasen nötig, für die restliche Zeit wären sie hoffnungslos überdimensioniert. Der ganze Umbau wäre ziemlich teuer und würde die Wasserrechnung massiv verteuern. Als Gipfel des Ganzen würden die Hausbesitzer für die Einspeisung des wortwörtlich überflüssigen Wasser aber noch eine Vergütung verlangen. Und nicht etwa den üblichen Wasserpreis, sondern eine mindestens dreimal höhere Einspeisevergütung.

Es ist schwer nachvollziehbar, wer das als sinnvoll erachtet. So sieht aber das Energieszenario der grünen Wirtschaft aus. Irgendwie noch kein ausgereiftes Konzept.

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AuthorMarkus Häring