Wir kennen sie alle, die Forderung nach Netto-Null CO2-Emissionen. Nur was das bedeutet, ist den wenigsten klar. Die beiliegende Graphik zeigt die historische Entwicklung der pro Kopf CO2-Emissionen in den letzten hundert Jahren von ausgewählten Ländern.
Ab dem 2. Weltkrieg steigen die Emissionen in Europa bis in die 70er Jahre steil an, ein Ausdruck des Wirtschaftswunders. Die Entwicklung wird durch die Erdölkrise von 1973 gestoppt. Am deutlichsten reduziert Frankreich seine Ölabhängigkeit innerhalb kurzer Zeit mit einem forcierten Zubau von Kernkraftwerken und senkt seine CO2-Emissionen massiv. Die Schweiz kann mit dem Bau seiner Kernkraftwerke nur den weiteren Anstieg der Emissionen stoppen. Eine markante Reduktion der CO2-Emissionen verzeichnet Deutschland nach 1989. In Folge der Wiedervereinigung wurden ineffiziente Betriebe der ehemaligen DDR stillgelegt. Stark belastende Braunkohlekraftwerke wurden durch moderne Anlagen ersetzt. Keine Massnahme hat die pro Kopf Emissionen in Deutschland so stark gesenkt wie diese. Die nachfolgende Reduktion in Deutschland kann aber auch nicht allein Effizienzsteigerungen und der Energiewende angerechnet werden. Mit dem rasanten Wirtschaftswachstum Chinas seit den 90er Jahren und in Folge auch in weiteren Ländern Südostasiens wurden energieintensive Industrien, wie zum Beispiel die Stahlproduktion, dorthin ausgelagert. Gleichzeitig nahm der Import von Gütern aus den Werkstätten dieser Weltregion stark zu. Sie werden dort unter geringeren Umweltauflagen deutlich billiger produziert. Das BAFU weist zu den rund 5 Tonnen CO2 die eine Person pro Jahr in der Schweiz emittiert, weitere im Ausland produzierte Treibhausgase von 11 Tonnen CO2-Äquivalent zu. Für den in der Schweiz gelebten Wohlstand sind 16 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf eine plausible Grösse.
Wenn wir betreffend Klima und Umwelt wirklich Musterschüler sein wollten, müssten wir zuerst alle ausgelagerten Produktionen zurückholen und hier CO2-frei produzieren. Das ist weder sinnvoll noch realistisch. Realistisch ist hingegen Verbrennungsprozesse zu elektrifizieren und wo das nicht möglich ist auf synthetische Treibstoffe umzustellen. Beides bedingt einen massiven Ausbau der inländischen Stromproduktion. Die Herstellung synthetischer Treibstoffe ist selbst sehr energieintensiv und kann nicht einfach mit etwas überschüssigem Strom bewerkstelligt werden. Bei einer ernst gemeinten Dekarbonisierung werden Wasserkraft, Photovoltaik und Wind eine wichtige Rolle spielen, aber unter Ausschluss der Kernenergie bleibt das eine Illusion.