Replik an Lukas Rühli, Avenir Suisse, zu seinem Externen Standpunkt in der NZZ am Sonntag vom 9.1.2022: “Konsumverzicht hilft wenig gegen den Klimawandel”
Sehr geehrter Herr Rühli
Mit grossem Interesse – und zustimmend – habe ich Ihren Standpunkt gelesen. Bis zum Punkt 3.
Ich engagiere mich als Ressourcen-Geologe seit über dreissig Jahren für eine effektive Dekarbonisierung. Mit meinem Werdegang als Erdölgeologe und Experte für Tiefengeothermie war ich langjähriges Mitglied der eidgenössischen Geologischen Kommission. Für das BFE war ich bis 2015 als Berater in Sachen CO2-Sequestrierung tätig. Auch heute berate ich noch Firmen zu Sicherheitsfragen bei der Erkundung von Tiefenlagern.
Aus diesen Engagements glaube ich, das Potential der „Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre“ aus erster Hand beurteilen zu können. Die Technik, dies zu tun, existiert und kann angewandt werden. Es ist nicht einmal mit prohibitiven Risiken behaftet. Die Frage ist nicht, ob das geht, sondern ob das Sinn macht.
Die Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre macht soviel Sinn wie eine Kläranlage mitten im Ozean zu bauen, statt am Ende einer Kanalisation. Das ist aktive Ressourcen- und Energieverschleuderung. Und mit der Rückholung ist das CO2 noch lange nicht dem Kreislauf entzogen. Erst mit der Karbonisierung in einem Tiefenlager, ein sehr langsamer Prozess, der Jahrzehnte bis Jahrhunderte in Anspruch nimmt, ist das CO2 endgültig gebunden. Im Untergrund ist CO2 als superkritisches Medium (so liegt es in Tiefen > 700 m vor) ein Fremdkörper, ganz im Gegensatz zur Atmosphäre, wo es ein unverzichtbares Lebensmittel für alle terrestrischen und marinen Organismen ist, die auf Photosynthese basieren.
Es gibt aus meiner Sicht nur einen sinnvollen Weg der Dekarbonisierung: Den Ersatz fossiler Energie mit low-carbon Ressourcen: Kernenergie, Wasser, Sonne, Wind und Geothermie. Etwa in dieser Reihenfolge. Das wird tatsächlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Forderung des Pariser Abkommens.
Ich bin immer wieder erschüttert mit welcher Naivität grüne Exponenten z.B. den Transport von CO2 per Pipeline nach Norwegen oder selbst Island propagieren. Da fehlt jegliches Verständnis der Grössenordnungen über Energie- und Ressourcenverbrauch, Kosten und Wirkung. Ich erachte es als dringlich, die Thematik der Carbon Capture and Sequestration (CCS) der Politik zu entziehen und zu versachlichen. Gerne stehe ich Ihnen da zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen, Markus O. Häring
PS: Beiliegend mein WeWo Beitrag über natürliche CO2-Senken.