Innovation gedeiht nicht dort wo sie gefördert, sondern dort wo sie nicht behindert wird.
Klima- und Energiepolitik sind geprägt von einer emotionalen Debatte, die oft mehr auf Glauben als auf Wissen basiert. Die Materie ist in beiden Fällen komplex, ein rationales Abwägen angemessener Massnahmen findet in der politischen Diskussion nur selten statt. In den Hochschulen wird auf diesen Gebieten geforscht, doch aufgrund der zunehmenden Spezialisierung in höchst fragmentierten Richtungen. Themenübergreifende wissenschaftliche Synthesen haben Seltenheitswert.
Mutige und eventuell unpopuläre Entscheide in der Klima- und Energiepolitik müssen Mehrheiten finden, respektive in der öffentlichen Meinung bestehen. Eine sachbezogene und rational geführte öffentliche Diskussion ist eine unverzichtbare Voraussetzung. Der Diskurs beschränkt sich heute jedoch auf süffige Verkürzungen, welche zwar einfach kommunizierbar sind, der Komplexität der Sache aber nicht gerecht werden.
Klima- und Energiedebatte lassen sich nicht voneinander trennen. Beide Diskussionen werden stark mit Ängsten befeuert, die in der Sache oftmals sogar falsch sind. So wie die Klimawandelfrage seit einigen Jahren durch immer düsterere Prognosen geprägt ist, wird die Kernkraft schon viel länger systematisch als unlösbar gefährliche Technologie schlecht geredet. Sei es beim Klima, sei es bei der Kernenergie, wer eine andere Meinung hat, läuft Gefahr ausgegrenzt zu werden. Das führt zu einer unguten Polarisierung, die sachliche und rational geprägte Diskussion kommt zum Erliegen oder das Thema wird zum Tabu.
Die Gesellschaft eines Landes, das gemäss dem OECD „Better Life Index“ zur Weltspitze gehört, sehnt sich nicht nach einer weiteren Verbesserung. Und mit dem Spitzenplatz in Freizeitflugreisen in die ganze Welt können wir uns selbst davon überzeugen, dass wir es besser haben als andere Länder. Bewahren und Sichern des Erreichten steht dann plötzlich vor dem Streben nach noch Besserem. Da hat eine junge Vietnamesin – stellvertretend für rund drei Viertel der Menschheit – eine völlig andere Sicht der Dinge. Sie hat Ambitionen, wie es vermutlich unsere Urgrosseltern am Ende des vorletzten Jahrhunderts hatten: Ein unerschütterlicher Glaube an Fortschritt und der Wunsch nach einem besseren und sichereren Leben. Sie fürchtet sich in ihrer aktuellen Position stehen zu bleiben. Das ist der Geist, der in den aufstrebenden Volkswirtschaften Südostasiens weht. Uns ist dieser Drang abhandengekommen. Wohlstand verringert die Risikobereitschaft Neues zu wagen und Neues zu entwickeln. Der potentielle Gewinn einer Innovation erscheint geringer als der Verlust bei einem Misserfolg. Das ist eine völlig andere Zukunftsangst als diejenige der Vietnamesin.
Klimakollaps und die Furcht vor der Kemkraft werden zu den grössten Ängsten hochgeschaukelt. Beide Ängste sind irrational, beide beruhen auf Glauben, nicht auf Wissen. Keiner hat je am eigenen Leib eine existentielle Bedrohung wie Hunger oder Krieg erlebt, geschweige denn eine Klimasituation, die seine Existenz akut bedrohte. Niemand war je einer Strahlung ausgesetzt, die sein Leben gefährdete. Die Ängste beruhen nicht auf Erfahrung, sondern auf Geschichten.
Beim Klima glaubt man den Warnungen einer UN Behörde, bei der Atomkraft einer lautstarken Lobby von Atomkraftwerkgegnern. Selbst der gebildete Bürger ist nicht in der Lage, die Argumente mit dem eigenen Wissen rational abzuwägen. Entscheidend ist, wer die Hoheit des Wissens für sich beanspruchen kann. Beiden Ängsten gemeinsam ist jedoch eine Technologiefeindlichkeit. Die Abwehrmechanismen gegen suspekte Technologie sind Aufrufe zum Verzicht und Verbote.
Solche Tendenzen sind der Prosperität eines Land, das seinen wirtschaftlichen Erfolg einer hochentwickelten Industrie verdankt, abträglich. Es ist auf jeden Fall eine schlechte Voraussetzung um die gewünschte und vielbeschworene Vorbildfunktion wahrnehmen zu können. Mit Verzicht auf das Fliegen und der persönlichen Einschränkung des Fleischkonsums, oder dem staatlich geförderten Bau von Windmühlen und Solarpaneelen nimmt man keine Vorreiterrolle ein. Moralisch gut gemeinte Aktionen und Nachahmen sind keine Pionierleistungen. Will die Schweiz tatsächlich einen Führungsanspruch für eine zukunftsfähige Weltgemeinschaft wahrnehmen, muss sie aus diesen mentalen Sackgassen rauskommen.
Fossile Energie, welche die menschliche und tierische Muskelkraft bis in die hinterste Ecke der Welt ersetzte war die Grundlage des beispiellosen Zivilisationssprungs der Menschheit. Das System stolpert nun über seinen eigenen Erfolg. Ohne neue hocheffiziente Energiesysteme wird die Menschheit jedoch nicht von den Fossilen loskommen. Sie wir sich nicht bloss mit der Klimafrage, sondern mit viel konkreteren Landschafts-, Boden-, Luft- und Gewässerbelastungen auseinandersetzen müssen.
Neue Systeme müssen die Umwelt von „craddle to grave“ von der Beschaffung bis zum Rückbau entlasten. Das Stichwort heisst Minimierung des Ressourcenverbrauchs. Und das zu Kosten, welche sich auch die ärmsten Länder leisten können. Subventionierte Systeme fallen schon deshalb weg.
Die Herausforderung ist enorm. Dekarbonisierung ist noch immer eine unterschätzte Herkulesaufgabe. Doch genau da könnte die Schweiz mit ihrem hohen Bildungsniveau und ihrer leistungsfähigen Industrie Grosses leisten. Dazu braucht es keine politischen Zielvorgaben, keine verzerrenden Subventionen für vermeintlich gute Techniken, sondern einzig Rahmenbedingungen, welche zu Investitionen in langfristige Forschung und Entwicklung ermutigen. Ein Beispiel wären auf lange Dauer gewährte Steuergutschriften für Forschungsaufwendungen.
Die Schweiz hatte einst die Führung im Schiffsmotoren- und Lokomotivenbau, im Bau von Wasserkraftwerken, im Tunnelbau und in der Uhrenindustrie, die sogar eine zweite Blüte erleben durfte. Der Führungsanspruch in der Maschinenindustrie und im Kraftwerkbau ist unterdessen verloren gegangen. Die Wertschöpfung hat sich auf hochspezialisierte Sparten der Life Sciences, der Finanz-, Tourismus- und andere Dienstleistungen verlagert. In der Bereitstellung und Umwandlung von Energie spielt die Schweiz nicht mehr in der höchsten Liga. Doch genau dort, könnte die Industrie – so wie in den 80er Jahren die serbelnde Uhrenindustrie – wie ein Phönix aus der Asche wieder auferstehen. Das Bildungsniveau ist hoch, start-ups gründen ist leicht, Investoren lechzen nach Gelegenheiten und der Arbeitsort Schweiz ist fürbrillante Köpfeattraktiv. Es bedarf allerdings einer Politik, die ideologische Scheuklappen abwirft und für Neuerungen aller Art offen ist. Wissen, nicht Glauben bringt uns weiter. Innovation gedeiht nicht dort wo sie gefördert, sondern dort wo sie nicht behindert wird.