publiziert in der Basler Zeitung vom 29. Dez. 2017
Keine Angst, es geht hier nicht um eine Schulstunde, sondern nur um ein paar Rechenfehler in der politischen Diskussion. Wenn von Energiewende und Klimaschutz die Rede ist, fokussiert sich die Diskussion mit Sicherheit sofort auf Strom. Dabei macht der Stromverbrauch nur ein Viertel unseres Energiekonsums aus. Die restlichen 75 Prozent des Konsums in Verkehr, Industrie und Haushalten beruht auf dem Verbrennen von Erdöl und Gas.
Das eigentliche Ziel einer nachhaltigen Energiezukunft sollte die Dekarbonisierung sein – also weg von den Fossilen. Darum werden auch Anstrengungen unternommen, elektrisch zu fahren und mit Wärmepumpen zu heizen. Das macht alles Sinn, aber ohne sauber zu rechnen, kann das sehr schnell zu gegenteiligen Resultaten führen.
Deutschland ist beispielhaft, wie ein Land seine Energiezukunft falsch aufgleisen kann. Nirgends in der Welt wurde Windenergie in solch kurzer Zeit so stark ausgebaut. 29'000 Windturbinen tragen heute 14 Prozent zur Stromerzeugung bei, respektive 4 Prozent zur Gesamtenergieversorgung. Solaranlagen tragen 7 Prozent zur Stromversorgung bei.
Eine Absenkung der CO2 Emissionen ist damit aber nicht gelungen. Die Kohlekraftwerke müssen zur Überbrückung der Nächte und der Windflauten laufen bleiben, da man Strom nicht in grossen Mengen speichern kann. Im Tagesrhythmus mag ein Ausgleich unter umweltbelastendem Batterieeinsatz noch zu bewerkstelligen sein, bei der saisonalen Speicherung geht das nicht mehr.
Ein märchenhaftes Geheimrezept soll die «Power to Gas»Technik sein. Da wird überschüssiger Strom aus Wind und Sonne mit Elektrolyse in Wasserstoff verwandelt. Dieser kann gelagert werden, um dann später wieder Strom zu produzieren. Man kann den Wasserstoff mit Zugabe von CO2 auch in Methan umwandeln und dieses dann zur Stromproduktion nutzen. Technisch ist beides machbar. Aber hier muss eben mal gerechnet werden. Mit Strom Gas zu produzieren, hat einen Wirkungsgrad von etwa 60 Prozent. Aus Gas dann wieder Strom zu machen, hat einen Wirkungsgrad von rund 50 Prozent. Leider muss man die beiden Wirkungsgrade miteinander multiplizieren, was zu einem Gesamtwirkungsgrad von bescheidenen 30 Prozent führt. In Tat und Wahrheit ist es noch weniger, aber das tut auch nichts mehr zur Sache.
Will man also im Winter bei Dunkelheit und Windflaute eine Einheit Strom konsumieren, müssen irgendwann im Sommer dafür mehr als drei Einheiten Strom produziert werden. Und zwar aus einem Überschuss. Der meiste Strom wird ja bereits direkt konsumiert oder für die anschliessende Nacht gespeichert. Wenn man nun wie gefordert alle Kern- und Kohlekraftwerke abstellt, muss man deren Produktion – nicht etwa nur deren Leistung – ersetzen. Und zwar wie gezeigt um das Mehrfache. Wir sprechen dann von einigen 100'000 Windrädern mehr. Dabei sind mit 29'000 jetzt schon grosse Gebiete Deutschlands bis zur Unkenntlichkeit verschandelt.
Solarstrom kann man auf Hausdächern und bald auch auf den Hausfassaden produzieren. Mit Batterien lässt sich nur der unvermeidbare Tagesrhythmus abfedern. Für «Power to Gas» müssten auch hier die Sommerüberschüsse massiv höher sein als die zu stopfenden Winterlücken. Doch damit nicht genug. Das betrifft erst den heutigen Stromverbrauch, also das eine Viertel des Energiekonsums. Wenn wir wirklich auf Null CO2 Emissionen gehen wollen und uns nur noch mit Erneuerbaren und ohne Atomkraftwerke versorgen wollen, und das ohne unsere Lebensgewohnheiten einzuschränken, dann müsste man das Ganze nochmals mit zwei multiplizieren. Mathematisch korrekt erschiene zwar eine Multiplikation mit vier, da aber elektrische Anwendungen weitere Effizienzsteigerungen ermöglichen, nur zwei.
Tut mir leid, wenn mein Exkurs jetzt doch ein bisschen rechenlastig geworden ist. Aber bei Energiefragen ist Rechnen zielführender, als an Märchen zu glauben.