von Markus Häring, publiziert in Basler Zeitung vom 19. 6. 2015

Das Klima erwärmt sich. Seit 135 Jahren wird der Rückgang der Gletscher systematisch aufgezeichnet. Wie der globale Trend aber zeigt, erfolgt die Erwärmung nicht gleichmässig, sondern ­schubweise. Eine deutliche Erwärmung fand ­zwischen 1910 bis 1940 statt, danach folgte über dreissig Jahre ein Stillstand. Zwischen 1970 bis kurz vor der Jahrtausendwende stieg die globale Erwärmung wiederum gleich schnell an wie in der ersten Phase des 20. Jahrhunderts. Seit 1998 hat die Klimaerwärmung eine Pause eingelegt. 

Die Phasen der Erwärmung und des Stillstands korrelieren nicht mit den stetig steigenden CO2-­Emissionen. Das beschäftigt auch den ­Weltklimarat (IPCC). Der hat nämlich die simple Formel in die Welt gesetzt: CO2-Zunahme gleich Klimaerwärmung und CO2-Stopp gleich Klimarettung. Auch wenn die Forderung nach einer Abkehr von fossilen Ressourcen berechtigt ist, solche ­Verkürzungen sind dumm und in der Sache schon gar nicht ­zielführend. Im Gegenteil, solche Forderungen sind politische Monster und untergraben die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft nachhaltig. 

Der Missbrauch der Wissenschaft zu ­politischen Zwecken treibt immer keckere ­Blüten: Statistiker der amerikanischen Ozean- und Atmosphärenverwaltung (NOAA) wollen jetzt herausgefunden haben, dass der Unterbruch der ­Klimaerwärmung gar nie stattgefunden habe, sondern nur auf einer falschen Korrektur älterer Daten beruhe (Science Express, Karl et. al. 2015). Die neuste Datenanpassung wird von unabhängigen Wissenschaftlern zu Recht infrage gestellt. Man kann schliesslich nicht gleichzeitig behaupten, die wissenschaftlichen Schlüsse zur Klimaerwärmung seien unumstösslich, und dann gleich heftig an den Zahlen zu schrauben beginnen, sobald die Realität von den Modellen abweicht.

Die USA waren bis vor wenigen Jahren das Feindbild des Weltklimarates, weil sie sich ­weigerten, das Kyoto-Protokoll anzuerkennen. Bis zum Schiefergasboom. Seither ist Erdgas dort ­billiger als Kohle. Da es nun billiger ist, mit Erdgas Strom zu erzeugen, sind die USA die Einzigen, ­welche die ambitiösen CO2-Reduktionsziele ­erfüllen. Und das mit einem Geschäft und nicht etwa mit wirtschaftsfeindlichen Methoden wie in Deutschland und bald auch in der Schweiz. ­Seither sind die USA ein Treiber der Klima­diskussion. Am kommenden Klimagipfel in Paris wollen sich die USA und China als Musterknaben im Kampf gegen den Klimawandel feiern lassen. Das will man sich nicht durch unliebsame Klimadaten verderben lassen. China investiert massiv in den Kraftwerkbau, vor allem Kernenergie, Wind und Sonne. Bis 2040 will China seine Produktion mit Sonne und Wind je verdreifachen, mit ­Kernenergie aber vervierzehnfachen. China hat sich verpflichtet, damit seine CO2-Emissionen ab 2030 nicht mehr weiter zu erhöhen. Der Solaranteil an der Produktion soll 2040 dann ein Prozent betragen, der Windanteil 2,5 Prozent und der Kernenergieanteil neun Prozent. China wird zum wichtigsten und grössten Hersteller von ­Kernanlagen. Ein Riesengeschäft, wie der ­kürzliche Börsengang der China National Nuclear Power Corporation beweist. Innert kürzester Zeit war das Angebot von zwei Milliarden Dollar um mehr als das Hundertfache überzeichnet.

Es ist schon erstaunlich, wie man mit ­unterschiedlichsten Interessen zum Klimaretter werden kann. Der Spagat wird in Paris mit grosser Wahrscheinlichkeit gelingen und von der ganzen Welt gefeiert werden.

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AuthorMarkus Häring