publiziert in Basler Zeitung vom 9. Nov. 2015
Öl zu Schleuderpreisen, wertlose Kohle, Shell zieht sich aus der Arktis zurück, Glencore stürzt ab. Das sind Schlagzeilen der letzten Wochen. Ist das das viel beschworene Platzen der Carbon Bubble? Umweltaktivisten und Klimaschützer sind davon überzeugt und scheinen recht zu erhalten. Sie haben das Platzen einer solchen Blase schon seit Längerem angekündigt. Dank den Klimaschutzzielen sei die Zeit der Erneuerbaren endgültig angebrochen und die Endzeit der fossilen Energieträger eingeläutet.
So einfach ist das nicht. Der Wirtschaftsmotor China stottert. Die USA produzieren Öl und Gas wie nie zuvor. Die Saudis tun dasselbe aus billig produzierbaren Feldern. Nächstes Jahr beginnt Iran wieder, Erdöl zu exportieren. Solche Überangebote bei entschleunigendem Wirtschaftswachstum führen zwangsläufig zu Tiefstpreisen bei den Energierohstoffen. Dass sich Erdölfirmen aus teuren Gebieten zurückziehen, ist logisch. Europa hat ein Überangebot an Strom. Auch diese Preise sind so tief, dass die Produzenten Verluste schreiben. All dies hat mit einem wirtschaftlichen Durchbruch der erneuerbaren Energieträger überhaupt nichts zu tun. Rohstoffpreise sind tief aufgrund stagnierender Wirtschaft, Strom aufgrund massiver Subventionen.
Man darf sich nicht der Illusion hergeben, dass Wind und Sonne daran sind, die traditionellen Energierohstoffe inklusive Kernenergie zu ersetzen. Das ist Wunschdenken. Da fehlt eine ganze Grössenordnung in der Leistung. Die einzige Energieform, die vom Potenzial her die Fossilen kompensieren könnte, wäre Kernenergie. Mit der angestrebten Elektrifizierung der Mobilität wird der Stromverbrauch steigen und nicht stagnieren. Viele blenden das aus, weil man das nicht wahrhaben will. Selbstverständlich soll man die Erneuerbaren weiterentwickeln und daran forschen. Vor allem, wie man sie leistungsfähiger und bedarfsgerechter machen kann. Bei elf Milliarden Menschen bis am Ende des Jahrhunderts wird man aber jede Energiequelle benötigen.
Was haben solche Wirtschaftsbetrachtungen zur Energieversorgung eigentlich mit dem Klima zu tun? Völlig richtig, eigentlich gar nichts. Ausser damit, dass die gesamte Energiepolitik darauf ausgerichtet sein soll, das Klima zu retten. Die Energiestrategie des Bundes ist jedoch in erster Linie ein Atomausstiegsprogramm. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat es Deutschland fertiggebracht, jährlich über 20 Milliarden Euro in Wind- und Solaranlagen zu verpuffen, ohne ein Gramm CO2 einzusparen. Im Gegenteil, die Produktionslücken nachts und bei Windstille müssen mit billigem und dreckigem Braunkohlestrom überbrückt werden. Wir sind in der Schweiz gerade daran, diese Dummheiten zu kopieren. Wir werden für unsere Lücken dann einfach Kohle- und Atomstrom importieren, sofern er überhaupt verfügbar ist. Das spielt aber keine Rolle, Hauptsache wir machen uns die Hände nicht schmutzig.
Gerade weil Öl und Kohle so billig geworden sind, werden sie noch lange auf dem Markt bleiben. Wer rechnen muss, wird genau dann sicher nicht auf teure und noch unzuverlässige Erneuerbare umsteigen. Solange keine echten, und ich meine wirklich leistungs- und kostenmässig ebenbürtigen Alternativen zur Verfügung stehen, werden die Erneuerbaren den Durchbruch nicht schaffen. Da können noch so viele Meldung zu platzenden Karbonblasen verkündet werden. Platzen werden höchstens Sprechblasen von Wunschdenkern.