publiziert in der Basler Zeitung vom 5. 2. 2019
Und nicht mehr weiter atmen! Sonst wirds zu heiss. Das ist die Empfehlung des jüngsten Berichts des Weltklimarates IPCC: Wir müssen innerhalb der nächsten dreissig Jahre die anthropogenen CO2-Emissionen vollständig eliminieren.
Das ist so, als ob eine Lehrerin ihre Schüler auffordern würde, die Luft anzuhalten, um die Welt vor dem Hitzetod zu retten. Dabei wird im Schulzimmer die CO2-Konzentration kurzfristig gleichbleiben, während draussen die Welt weiterdreht. Sind die Schüler folgsam, werden sie nach kurzer Zeit in Ohnmacht fallen, weitere Folgen möchte ich nicht erwähnen.
Vielleicht ist es tatsächlich nützlich, einmal kurz die Luft anzuhalten, um zu überlegen was hier eigentlich abgeht. Wir haben es mit einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen zu tun, die alleine deshalb leben, weil im vorletzten Jahrhundert eine beispiellose Industrialisierung ihren Anfang nahm und eine Ernährung, Behausung und Versorgung solcher Massen überhaupt ermöglichte. Diese Entwicklung ist weder abgeschlossen, noch verlangsamt sie sich. Die Treibstoffe dazu sind zu 85% Kohle, Erdöl und Erdgas. Die daraus resultierenden CO2-Emissionen sind nichts anderes als der Atem der menschlichen Zivilisation. Wenn nun gefordert wird nicht mehr ausatmen zu dürfen, ohne eine Alternative vor dem Ersticken zu liefern, kommt das aktiver Euthanasie gleich.
Unsere Lehrerin macht bei ihrer Aufforderung gleich mehrere Denkfehler. Erstens meint sie mit ihrem Versuch ein Vorbild für die Welt ausserhalb zu sein. Schliesslich kann sie beweisen, dass die CO2-Konzentration im Klassenzimmer nicht mehr zunimmt. Sie übersieht jedoch, dass die Umwelt, das gar nicht zur Kenntnis nimmt. Zweitens geht sie davon aus, dass dieser irre Versuch von allen Lehrern auf der Welt kopiert wird. Und drittens meint sie, dass alle Schüler das mitmachen.
Um ihre Schüler doch vielleicht noch zu überzeugen, zeigt sie ihnen täglich in Horrorbildern was geschehen könnte, wenn sie nicht folgen. An einem Tag zeigt sie ihnen tote Fische in irgendeinem Fluss weit weg, an einem andern bindet sie ihnen einen hungernden Eisbären auf, am nächsten wird es vermutlich eine Überschwemmung in einem fernen Land sein und wenn sich gerade mal nichts Horrendes anbietet, das an eine Überhitzung erinnern könnte, bastelt man sich eine Geschichte, in welcher sogar der gegenwärtig kühle Winter die Folge unseres unmoralischen Tuns sein soll.
Mir tun die Jugendlichen leid, welche sich von Angst und Schuld leiten lassen. Kein Wunder gehen sie auf die Strasse und fordern bessere Menschen. Dass sie in ihrer Jugend noch beeinflussbar sind, kann man ihnen nicht verübeln. Es ist Ihnen aber dringend empfohlen, sich wohl oder übel in die trockene und schwierige Materie naturwissenschaftlicher Prinzipien einzuarbeiten, lernen sich selbst ein Bild zu machen und Gehörtes mit selbst erworbenem Wissen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Gute Lehrer fördern das, schlechte fordern die Luft anzuhalten.
Vielleicht kommen dann ein paar Aufgeweckte darauf, dass sie auch frühere Horrorgeschichten, wie zur erfolgreich verteufelten Kernenergie mal hinterfragen könnten. Oft eröffnen sich Lösungswege zu tatsächlichen Herausforderungen, gerade dort wo man sie zuletzt gesucht hat.