publiziert in der Basler Zeitung vom 22. Juni 2018
Die Erde ist bisher der einzige Planet, der eine Atmosphäre mit freiem Sauerstoff aufweist. Und auch nur auf ihr ist Leben nachgewiesen. In der stark ideologisierten Klimadebatte wird oft nicht verstanden, wie die Atmosphäre von der Biosphäre reguliert wird. Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Erdgeschichte.
Die Meinung ist weit verbreitet, dass Sauerstoff die Voraussetzung für Leben sei. Und weiter scheint zu gelten, dass Kohlendioxid (CO2) dem Leben, wie wir es kennen, abträglich sei. Beides ist falsch. Sauerstoff ist nur für moderne Pflanzen und die Tierwelt, uns eingeschlossen, notwendig. CO2 ist eine Voraussetzung für pflanzliches Leben. CO2 ist das Grundnahrungsmittel aller Pflanzen, welche ihrerseits Nahrung für alle vegetarisch lebenden Wesen sind.
Die Erde ist über 4,5 Milliarden Jahre alt. In den ersten anderthalb Milliarden Jahren gab es noch keinen freien Sauerstoff, und die CO2-Konzentration der Atmosphäre war über hundert Mal höher als heute. Das erste Leben in Form von Bakterien entwickelte sich ohne freien Sauerstoff.
Das änderte sich irgendwo vor zweieinhalb Milliarden Jahren, zunächst sehr langsam, als erste Cyanobakterien mithilfe von Sonnenlicht begannen, ihre Zellstruktur mit Kohlenstoff aus der Luft, aus CO2, aufzubauen. Dabei setzten sie Sauerstoff frei. Die Fotosynthese war erfunden. Das war für alle anderen Organismen pures Gift. Sauerstoff ist ein hochreaktives Gas, welches empfindliche Zellstrukturen oxidiert, eben verbrennt.
Erst vor rund 500 Millionen Jahren kam das flächendeckende Leben zu Wasser und zu Land so richtig in Gang. In jener Zeit entstanden die meisten Pflanzen- und Tierstämme, so, wie wir sie kennen. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre reduzierte sich drastisch bei gleichzeitigem Anstieg der Sauerstoffkonzentration auf das heutige Mass. Diese atmosphärischen Umwälzungen sind vollständig auf das aufblühende Leben zurückzuführen. An diesen Verhältnissen hat sich seither kaum mehr was geändert. Dramatische Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge und Sonnenzyklen haben zwar immer wieder zu Klimaveränderungen, Eiszeiten und Massensterben geführt, das Leben wurde jedoch nie ausgelöscht. Die Zusammensetzung der Atmosphäre als auch die klimatischen Variationen haben sich seit der Etablierung von Leben immer in relativ engen Grenzen bewegt. Die biologischen Regelmechanismen sind einflussreicher und das Leben auf der Erde robuster, als den meisten bewusst ist.
Wie eine Studie in der Wissenschaftszeitung Nature nachweist, haben Klimaerwärmung und eine erhöhte CO2-Konzentration zu einer globalen Begrünung geführt. Das ist eine nachvollziehbare regulierende Folge. Die Biosphäre reagiert ohne Verzug.
Das alles entbindet uns nicht von einer Verantwortung gegenüber der Umwelt, doch es relativiert unseren Einfluss gehörig. Wer mit Runaway-Effekten beim Klima droht, ist nicht ernst zu nehmen. Drohungen einer bevorstehenden Apokalypse sind ideologischer Natur und lenken die Debatte in die falsche Richtung. Die bereits manische Fokussierung auf blosse CO2-Reduktion führt zu Sündenfällen wie beispielsweise zum Anbau von Palm- oder Rapsöl als Treibstoffersatz. Chemische Batterien, die schon nach wenigen Jahren zu Sondermüll werden, dürften bald als nächste Fehlentwicklung erkannt werden. Solarpanels sind der Fotosynthese noch hoffnungslos unterlegen. Innovation ist höchst anspruchsvoll. Ein bisschen mehr Weitsicht in der Wahl von Massnahmen wäre angebracht, es muss ja nicht immer über eine Million von Jahren sein.