Basler Zeitung 21. November 2014
Wir wünschen uns alle eine nachhaltige Energiezukunft. Das ist mehr als nur ein legitimer Wunsch. Er entstammt der Einsicht, dass wir das Raumschiff Erde auf Dauer nicht einfach plündern können. Der globale Energieverbrauch wird aber eine Zunahme noch nie da gewesenen Ausmasses erfahren. Es wird also deutlich mehr als nur Solar- und Windkraftwerke brauchen.
Seit Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts hat die Weltbevölkerung von einer auf über sieben Milliarden zugenommen. Bis Ende des laufenden Jahrhunderts geht man von einem Wachstum auf elf Milliarden aus. Das klingt nicht mehr so dramatisch wie der Zuwachs der vergangenen Jahrzehnte, allerdings mit dem Unterschied, dass diese elf Milliarden den Anspruch auf unseren aktuellen sehr hohen Lebensstandard stellen werden. Die heutigen sieben Milliarden sind im Schnitt eine 2400-Watt-Gesellschaft, aber nur dank den sehr grossen Massen, die sich mit viel, viel weniger Energie begnügen als wir hierzulande mit unseren 7000 Watt. Die Menschen in den aufstrebenden Ländern wollen aber nach dem Kühlschrank, dem Fernseher und dem Smartphone auch noch ein Auto, wollen reisen können, vielleicht sogar noch eine klimatisierte Wohnung, aber sicherlich nicht das 2000-Watt-Label.
Zukunft braucht alle Quellen
Die Belegschaft des Raumschiffs Erde wird in Zukunft alle Energieressourcen nützen müssen. Da scheint es nicht abwegig, auch die Kernenergie ins Auge zu fassen. Es ist vielleicht ganz gut zu wissen, dass die Kernenergie in China als Cleantec verstanden wird.
Was hat das alles mit dem Klima zu tun? Was die Schweiz betrifft, eben sehr wenig. Bei der Energiefrage konzentrieren wir uns alle nur auf das dumme CO₂, dabei ist es im Hinblick auf uns gar kein Thema. Würden alle Menschen dieser Welt mit ähnlichem Wohlstand pro Kopf so wenig CO₂ produzieren wie wir, gäbe es diese Diskussion wohl kaum.
Diese Frage ist nur relevant in Ländern, deren Energieversorgung hauptsächlich auf dem Verbrennen von Kohle aufbaut. Zugegeben, es wird in Zukunft auch uns betreffen, wenn wir gemäss Energiestrategie 2050 auf Stromimporte aus Braunkohlekraftwerken aus den umliegenden Ländern setzen.
Kernenergie produziert radioaktiven Abfall, Kohle produziert neben CO₂ vor allem Russ und Schwefeloxide. Solar- und Windstrom ist unzuverlässig und produziert eine kaum erfüllbare Nachfrage nach Speichern auf Kosten der Wasserkraft. Geothermie braucht billigere Bohrtechniken und lässt ab und zu noch die Erde erzittern etc. Fertig erfunden ist noch keine einzige dieser Technologien. Ohne Öl und Gas geht es in nächster Zukunft einfach nicht. In der Energiestrategie 2050 ist dazu witzigerweise das Thema Mobilität völlig ausgeschlossen.
So einfach, wie das hierzulande gerne dargestellt wird, ist das alles nicht. Und dann gibt es neben der Ökonomie noch die unerbittlichen Gesetze der Physik, welche sämtlichen Technologien irgendwo eine Grenze setzen und nicht alle Wünsche zulassen.
Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, nicht alle Energieressourcen nach ihrer jeweiligen besten Eignung zu nutzen und weiterzuentwickeln. Die Welt wird über unsere Lebenserwartung hinaus ohne Ausnahme alle diese Ressourcen brauchen. Der abgehobene Verzicht auf Kernenergie mag momentan opportun sein. Kurzsichtiges Gärtchendenken wäre die prägnantere und ehrlichere Formulierung.
Verteufelung einer Energiequelle und das Hochjubeln einer andern zeugt nur von Partiku- larinteressen und nicht von Weitsicht. Es ist betrüblich, dass die schweizerische Energiepolitik momentan von Ersterem dominiert ist. Weder die Natur noch die Bürger werden es danken.