publiziert in der Weltwoche vom 17. Dez. 2015

Der Anstieg der Ozeane sei eine der schlimmsten Folgen höherer Temperaturen, hiess es an der ­Klimakonferenz in Paris. Diese Warnungen basieren auf falschen Annahmen: Dort, wo ­tatsächlich ­Überschwemmungen drohen, hat das wenig mit der Erderwärmung zu tun.

Von Markus Häring

Überflutung dichtbesiedelter Küstengebiete, versinkende Inseln, sterbende Korallenriffe: All das scheinen dramatische Argumente ­zugunsten der «Klimarettung» zu sein. Der Meeresspiegelanstieg wird als eine der grössten Gefahren für die Menschheit angesehen. Niemand widerspricht, dass man Katastrophen solcher Art verhindern soll. Doch gelingt das, indem man den CO2-Ausstoss reduziert? 

Schanghai, New Orleans und grosse Teile von Bangladesch liegen nur knapp über Meeres­höhe in Fluss­delten. Flussdelten sind fruchtbare Ge­biete, bewohnt von weltweit über 600 Millionen Menschen. Die reichen Grundwasservorkommen werden zur Wasserversorgung und in der Landwirtschaft intensiv genutzt. Schanghai ist deswegen seit 1921 um über 2,6 Meter abgesunken. Die gleiche Übernutzung des Grundwassers findet im Ganges- und im ­Mississippidelta statt.

Dazu kommt eine natürliche Verdichtung der Sedimente. Die Delten ­erfahren so eine Absenkung, die, ver­glichen mit dem Meeresspiegelanstieg, ein Mehrfaches ausmacht. Und genau solche Gebiete werden zunehmend überbaut. Es ist kein Zufall, dass beim Wirbelsturm «Katrina» die Altstadt von New Orleans verschont blieb. Die ersten Siedler folgten dem gesunden Menschenverstand und bauten auf hochliegendem Terrain. Heute lassen sich Menschen aber zunehmend in überschwemmungsgefährdeten Gebieten nieder – vor allem in Entwicklungsländern mit enormem Bevölkerungsdruck.

Bangladesch braucht Dämme

Die Niederlande trotzen im Rheindelta der Überflutungsgefahr seit Hunderten von Jahren erfolgreich. Mit einer hochentwickelten Wasserwirtschaft und ­einem grossartigen Deichsystem hat das Land seine Hausaufgaben gemacht. Der Flughafen Schiphol in Amsterdam etwa liegt sechs Meter unter dem Meeresspiegel. Die Niederländer fühlen sich vom Wasser nicht bedroht. CO2-­Reduktion ist der wirkungsloseste aller Ansätze dazu, der Überflutungen Herr zu werden. Tiefliegende Länder wie Bangladesch brauchen vielmehr ­Dämme.

Bei angeblich bedrohten Südseeinseln liegen die Dinge anders. Es handelt sich in der Regel um Atolle, also Korallenriffe. Korallen sind auf viel Licht und permanente Überflutung angewiesen. Ihr Wachstum findet deshalb vor allem knapp unter der Wasseroberfläche statt. Die harten Kalkgebilde unterliegen der Erosion durch Wind und Wellen. Daraus entstehen die weissen Kalksande, die Kulisse traumhafter Ferienstrände. Die paradiesischen Landschaften sind durch einen steigenden Meeresspiegel in keiner Weise gefährdet. Denn das Korallenwachstum kann bis zu zehn Zentimeter pro Jahr betragen und ist in jedem Fall um ein Mehrfaches höher als der Meeresanstieg. Inseln, die aus dem Erosionsprodukt von Korallenriffen bestehen, können grundsätzlich nie höher als wenige Meter aus dem Meer herausragen. Die Klimaerwärmung und der ansteigende Meeresspiegel sind ein zu vernachlässigendes Problem für Atolle. 

Pegel steigen schon lange

Selbst gemäss dem Extremszenario des Weltklimarates soll der Meeresspiegel nicht mehr als sechs Millimeter pro Jahr ansteigen. Der Anstieg in den letzten hundert Jahren betrug nur 2,3 Millimeter pro Jahr. Der grösste Meeres­spiegelanstieg, den man in der jüngeren geologischen Geschichte belegen kann, betrug rund zwanzig Meter in tausend Jahren, also zwanzig Millimeter pro Jahr. Das war vor 15 000 Jahren, gegen Ende der letzten Eiszeit, als ein zwei Kilometer dicker Eispanzer über Sibirien und Skandinavien ab­zuschmelzen begann – ein Gebiet, gut viermal so gross wie Grönland. Das passierte ohne menschliches Zutun und bei einer CO2-Konzentration, die um vierzig Prozent tiefer war als heute. Seither ist der Meeresspiegel um über hundert ­Meter angestiegen. Heute ist weltweit nur noch ein Bruchteil der damaligen Eismasse vorhanden. Solch massive Schmelzwasserpulse sind damit ziemlich unwahrscheinlich geworden.

Die Korallen sind zwar da und dort bedroht, unter anderem durch eine Versauerung des Meerwassers. Die Belastung entsteht jedoch nicht durch CO2, das via Atmosphäre in die Ozeane eingetragen wird, sondern durch lo­kale Umweltverschmutzung. Ein Beispiel dafür ist die Abfallinsel Thilafushi auf den Malediven, nur wenige Kilometer entfernt von den traumhaften Ferien­resorts. Die Übernutzung der fragilen Biotope durch die ansässige Bevölkerung und den Tourismus verursachen das Korallensterben – nicht das CO2. Insgesamt lenkt der geradezu pathologische Fokus auf CO2 – ein Gas, das nicht toxisch ist – von den echten Umweltproblemen der Welt ab: dem Bevölkerungswachstum, der direkten Verschmutzung und der Übernutzung von Ressourcen.

Posted
AuthorMarkus Häring